Heute möchten wir den erschütternden Artikel “Gewalt im Kreißsaal: So traumatisch kann eine Geburt für die Mutter sein” von Lena Högemann vorstellen. Als freie Journalistin und Autorin teilt sie darin ihre eigenen schmerzhaften Erfahrungen während der Geburt ihres ersten Kindes vor fast neun Jahren.
Der Artikel ist am 20. März 2024 unter https://www.berliner-zeitung.de/open-source/traumatische-geburt-warum-die-gesundheit-des-kindes-nicht-die-hauptsache-ist-li.2196492 veröffentlicht worden.
Die Autorin schildert sehr offen und authentisch, wie sie bei der Geburt lediglich als “Hülle für ein anderes menschliches Leben” behandelt wurde. Der einzige Fokus lag auf der schnellen Entbindung des Kindes – ohne jegliche Rücksichtnahme auf ihre Bedürfnisse und ihr Wohlergehen als Gebärende. Die emotionale Vernachlässigung, der Mangel an Empathie und Fürsorge sowie die verbale Gewalt durch Hebammen und medizinisches Personal haben sie zutiefst verletzt. Jahre später litt sie unter Symptomen wie Albträumen, Panikattacken und Bindungsstörungen zu ihrem Baby – typische Folgen eines Geburtstraumas.
Mit ihrem Artikel möchte Högemann ein lange tabuisiertes Thema enttabuisieren: Die vielen Gewalterfahrungen und die Vernachlässigung der psychischen Gesundheit von Müttern während und nach der Geburt. Schockierenderweise nehmen laut Studien 20 bis 40 Prozent aller Frauen ihre Entbindung als belastend oder sogar traumatisch wahr.
Die Autorin prangert die systematischen Defizite in der deutschen Geburtshilfe an. Viel zu häufig finden unnötige Interventionen und massive körperliche Eingriffe wie Dammschnitte, Wehen-Einleitungen oder Kaiserschnitte statt – oft nicht aus medizinischer Notwendigkeit, sondern aus Routine und ökonomischen Gründen. Die Rechte, Bedürfnisse und Selbstbestimmung der Gebärenden werden regelmäßig missachtet.
Mit schonungslosen Zitaten aus ihrer persönlichen Leidensgeschichte sowie von anderen betroffenen Müttern schärft Högemann unser Bewusstsein für dieses weitverbreitete, aber nach wie vor massiv tabuisierte Problem. Ihr wichtigstes Anliegen ist es, einen Raum für offene Gespräche und die Verarbeitung negativer Geburtserfahrungen zu schaffen. Denn nur so können die oft schweren seelischen Wunden der Frauen wirklich heilen.
Der faktenreiche und zugleich sehr persönliche Erfahrungsbericht erschüttert, rüttelt auf und zeigt das enorme Potenzial von mehr Bewusstseinsbildung für eine traumasensible, respektvolle und mütterfreundliche Geburtshilfe. Als Appell an uns alle, endlich hinzuhören und zu handeln.